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Grussworte Grußworte

Grußwort von Prof. Dr. Jost Gippert

28 Jahre mit der Japanologie in Frankfurt

Jost Gippert | Vergleichende Sprachwissenschaft, Institut für Empirische Sprachwissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität

Die Frankfurter Japanologie blickt heute auf stolze 40 Jahre ihrer Existenz zurück, die mit der Berufung von Ekkehard May im Jahre 1981 begannen. Ich selbst erinnere mich gern an die 28 Jahre zurück, während derer ich in Frankfurt die Entwicklung des Faches begleiten und eine, wie ich meine, besondere Beziehung zu ihm aufbauen konnte.

Obwohl ich bereits 1977 in Berlin mit Japanologie im Nebenfach promoviert wurde, kam ich doch erst 1993 mit den Frankfurter Japanologinnen und Japanologen in Berührung. Nachdem ich im Februar jenes Jahres auf Einladung des damaligen Dekans, Bernd Nothofer, meinen Probevortrag im Berufungsverfahren der Professur für Vergleichende Sprachwissenschaft halten durfte, schrieb mich am 2. März Ekkehard May als der neue Dekan an, mit der Aufforderung, meine Schriften einzusenden, was ich natürlich umgehend tat. Ein gutes halbes Jahr später erreichte mich die erfreuliche Mitteilung, dass der damalige Fachbereich 11 mit dem schönen Namen „Außereuropäische Sprach- und Kulturwissenschaften“ mich auf die Professur zu berufen gedenke, und tatsächlich kam der Ruf – damals natürlich noch vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst aus Wiesbaden – ein paar Monate später. Im April 1994 nahm ich meinen Dienst in Frankfurt auf, und in der Folgezeit hatte ich stetig Gelegenheit, die Strukturen des Fachbereichs kennenzulernen, und damit auch die Kollegen und Kolleginnen aus den Ostasienfächern. Verschiedentlich kamen Studierende der Japanologie zu uns in die Georg-Voigt-Str. 6, um sprachwissenschaftliche Vorlesungen zu besuchen oder sogar an Sprachkursen und Seminaren teilzunehmen, und es gab natürlich auch gemeinsame Prüfungen, bis hin zu Promotionen. Sieht man von der ständigen Unterfinanzierung unserer „Kleinen Fächer“ ab, so hatten wir im Fachbereich 11 eigentlich ein blühendes Idyll – was sich jedoch schlagartig änderte, als gegen Ende des Jahrtausends der Präsident Werner Meißner die Idee entwickelte (oder eher entwickeln ließ), den drohenden finanziellen Kollaps der Goethe-Universität durch Stellenstreichungen zu verhindern, und dies gerade auch in unserem Fachbereich. Der präsidiale Vorschlag war einfach: In den Fächern Japanologie und Sinologie stünde ja die Pensionierung der Professoren bevor, teilweise auch von Mitarbeitern, da könne man doch bequem fünf ganze Stellen einsparen, und der Fachbereich sei saniert. 

Ich erinnere mich noch gut an die Sitzungen des Fachbereichsrats, in denen wir hitzig darüber diskutierten, ob wir einem derartigen Kahlschlag, der nicht von wissenschaftlichen (oder wissenschaftspolitischen), sondern allein von praktischen Erwägungen geleitet war, zustimmen sollten oder nicht – und ich bin noch heute stolz darauf, dass der Fachbereich 11 damals nicht dem präsidialen Vorschlag gefolgt ist, sondern ein eigenes, alle seine Fächer betreffendes Stellensparmodell entwickelt hat, mit dem Ziel, seine Fächervielfalt – und damit gerade auch die Ostasienfächer – in Frankfurt zu erhalten, was natürlich auch eine Wiederausschreibung der Professur für Japanologie bedeutete. 

Kaum war dies beschlossen, kam schon wieder neues Ungemach aus der Präsidialabteilung: Man beabsichtigte an unserer Universität nun eine Zusammenlegung verschiedener Fachbereiche, um deren Anzahl zu reduzieren – neben so ansprechenden Verbindungen wie zwischen der Philosophie und der Geschichte oder der Sportwissenschaften und der Psychologie betraf dies (natürlich!) auch unseren Fachbereich 11, der eine neue Einheit mit dem damaligen Fachbereich 9 „Kulturwissenschaften“ bilden sollte (die Verwendung des Wortes „Fusion“ wurde aus unbekannten Gründen vermieden, man sprach eher von „Zusammenschluß“). Im Jahre 2000 war es dann soweit: der neue Fachbereich 9, der Einfachheit halber „Sprach- und Kulturwissenschaften“ genannt, trat ins Leben, und ich hatte die – nicht immer übermäßige – Freude, ihn als erster Dekan zu leiten. Zu den schwierigsten Aufgaben gehörte es, die Wiederbesetzung der Ostasienprofessuren in die Wege zu leiten – eine Auseinandersetzung, in der nicht nur das Ministerium weiterhin seine Fäden zog, sondern auch der neue Präsident Rudolf Steinberg seine eigenen Interessen umzusetzen versuchte, und die richteten sich nicht auf Japan, sondern auf China. Es kam also zunächst einmal die Sinologie zum Zuge, und erst 2003 konnte auch die Professur für Japanologie wieder besetzt werden, mit Lisette Gebhardt. 

Damit waren die unruhigen Zeiten im Fachbereich aber noch lange nicht vorbei, denn die Politik hatte weiterreichende Pläne. Im Jahre 2005 konfrontierte uns der Präsident mit einem revolutionären Strukturplan, den das Ministerium unter Udo Corts entwickelt hatte: die „Kleinen Fächer“ sollten in Hessen fortan nur noch an jeweils einer Universität vertreten sein, mit regionalen Schwerpunkten, die die orientalistischen Fächer für Marburg, die Slawistik für Gießen und für Frankfurt die Ostasienfächer vorsah (im übrigen ein Plan, den ich schon kennenlernen durfte, als ich von 1972 bis 1974 in Marburg studierte und die dortige Japanologie und Sinologie vor der Schließung standen; wie es hieß, sollten die beiden „Orchideen“ nach Frankfurt transferiert werden…). So verlockend die Aussicht, die Frankfurter Japanologie um die bis dahin in Marburg angesiedelten Japanologen verstärken zu können, auch schien, gab es doch erheblichen Widerstand in unserem Fachbereich: was sollte unsere Orientalistik in Marburg, und was sollte unsere Slawistik, eine der stärksten in ganz Deutschland, in Gießen? Es wäre doch die natürlichste Sache gewesen, alle genannten „exotischen“ Fächer in Frankfurt zusammenzuführen, wo sowohl die fachliche Tradition als auch das zu erwartende Studierendeninteresse am stärksten war. Die Verhandlungen mit Präsident und Minister, die ich im Namen des Fachbereichs zu führen hatte – ich war gerade wieder einmal zum Dekan gewählt worden – blieben fruchtlos: gegen das Argument, dass ein Politiker „ja auch die Wähler in den anderen Landesteilen zufriedenzustellen habe“, war kein wissenschaftliches Kraut gewachsen, und der Plan wurde umgesetzt, mit dem wechselseitigen Transfer von Stellen und der Schaffung „Kleiner geistes- und regionalwissenschaftlicher Zentren“ in Marburg, Gießen und Frankfurt. So freut sich die Goethe-Universität seit 2008 über das „Interdisziplinäre Zentrum für Ostasienstudien“, dem neben den geisteswissenschaftlich ausgerichteten Ostasien-Professuren des Fachbereichs 9 unter anderem auch die – aus Marburg „übernommenen“ Professuren für Japanisches Recht und Japanische Wirtschaft angehören, die nicht an unserem Fachbereich, sondern in den Fachbereichen 1 („Rechtswissenschaft“) und 2 („Wirtschaftswissenschaften“) angesiedelt wurden. Das Positive, was das „Zentrenkonzept“ für die Japanologie in unserem Fachbereich mit sich brachte, war neben der langfristigen Absicherung des Faches die Schaffung der neuen Professur für „Japanische Kultur- und Ideengeschichte“, die seit 2009 Michael Kinski innehat.

Seither hat sich unsere Japanologie aus meiner Sicht in höchst erfreulicher Weise weiterentwickelt. Die Studierendenzahlen sind gegenüber denjenigen der 1990-er Jahre exponentiell angestiegen, und selbst die Einführung der „gestuften“ Studiengänge – ein weiteres Kapitel unserer gemeinsamen Erfahrungen an der Goethe-Universität, mit dem man Bände füllen könnte – hat unseren Fächern nicht schaden können, auch wenn die Qualen rund um Evaluationen und Akkreditierungen uns alle immer wieder viel zu sehr von unserer eigentlichen – wissenschaftlichen – Arbeit abgehalten haben. Ich fürchte, derlei „Spaßaufgaben“ werden auch über das jetzige Jubiläum hinaus Bestand haben, und ich wünsche meinen Kolleginnen und Kollegen in der Japanologie alles erdenklich Gute für die Zeiten, die da kommen sollen – das nächste Jubiläum, 50 Jahre Japanologie in Frankfurt, steht ja gewissermaßen bereits vor der Tür: Mögen es ruhigere Zeiten sein, und möge der wissenschaftliche Erfolg in Forschung und Lehre wieder im Vordergrund stehen!

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